Wednesday, November 30, 2011

Quo vadis, BEB? – wohin geht der Weg?

Wir sind mit unserer Firma seit 33 Jahren Mitglied im Bundesverband Estrich und Belag e.V. (BEB). Ich schätze das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) für seine Fachkompetenz und nutze es regelmäßig für Prüfleistungen. Wie die Mehrzahl der anderen Estrichleger in Deutschland verlegen wir in erster Linie konventionelle, zementgebundene Baustellenestriche, steigen bei Notwendigkeit jedoch auch auf andere Bindemittel um. Ich habe den BEB bisher immer als einen Verband angesehen, der allen Bindemitteln gegenüber in gleicher Weise aufgeschlossen ist. Ich muss zugeben, dass ich mir in der Zwischenzeit dahingehend nicht mehr so sicher bin. Zahlreiche Mitglieder des BEB, die sich mit konventioneller Estrichverlegung befassen, dürften ebenfalls irritiert sein über die „Politik“, die der BEB derzeit zugunsten der Verlegung von Fließestrich betreibt. Der Vorstand des BEB sollte die von ihm verursachten Irritationen zum Anlass nehmen, seine Position in der „Fließestrich-Frage“ gegenüber seinen Mitgliedern unmissverständlich offen zu legen.

Fragwürdige Lobbyarbeit für den Fließestrich

Viele werden sich noch an den Fachartikel erinnern, den ich vor einiger Zeit mit dem Titel „Kein Verbot von konventionellen Estrichen in Deutschland“ verfasst habe. Dieser erschien in unterschiedlicher Aufmachung in einer ganzen Reihe von Fachzeitschriften. Es ging hier um die Aufdeckung von Irreführungen, mit denen eine der Industrie nahestehende Vereinigung versuchte, mit Hilfe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts den konventionellen Baustellenestrich unter dem Deckmantel zweifelhafter Arbeitsschutzgründe aus dem Markt zu drängen. Im Rahmen eines Spitzengespräches in Berlin am 23.09.2010 konnte anhand von Beispielen aufgezeigt werden, dass die vorgelegte Untersuchung die Arbeitspraxis nicht repräsentativ und vollständig abbildete. Man einigte sich darauf, die Studie nicht zu veröffentlichen und stattdessen die Erkenntnisse zur Erarbeitung eines Hinweisblattes mit konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen für alle Estrichtypen zu nutzen, welches in der Zwischenzeit erschienen ist; siehe:

http://www.bgbau.de/d/ergonomie/fachinfos/literatur/bg_bau/pdf-files/estrichleger_flyer.pdf

Spitzengespräch ohne BEB-Spitze

Ich hätte mir erwartet, dass bei so einem wichtigen Treffen, bei dem nichts anderes als die Zukunft des konventionellen Baustellenestrichs auf dem Spiel steht, auch der Geschäftsführer und der Vorsitzende des BEB teilnehmen würden. Dies war erstaunlicherweise nicht der Fall und auch die Industrie hielt sich vornehm zurück. Gesteigert wurde meine Verwunderung umso mehr, als ich erfuhr, dass der BEB nach dieser Sitzung ein Rundschreiben ausgab, aus welchem hervorging, dass die Studie mit den zweifelhaften Arbeitsschutzargumenten demnächst veröffentlicht würde und die entsprechende Internetseite nannte. Erst als Reaktion hierauf erschien es mir notwendig, den oben erwähnten Fachartikel zu veröffentlichen.

Welche Interessen vertritt der BEB?

Welches Interesse hätte der BEB daran, den konventionellen Baustellenestrich abzuschaffen und stattdessen die ausschließliche Verlegung von Fließestrichen zu befördern? Es wäre sicher nicht im Sinne der Mehrzahl der BEB-Mitglieder. Könnte es mit mächtigen Fördermitgliedern zu tun haben, die auf diesem Wege versuchen, ihre Interessen durchzusetzen? Könnten Arbeitskreise innerhalb des BEB es sich zum Ziel gesetzt haben, diese Entwicklung voranzutreiben?

‚Notablauf’ oder ‚Not beim Ablauf’?

Genau dieser Eindruck könnte entstehen, wenn man beobachtet, mit welchem Engagement derzeit von Seiten des BEB versucht wird, die Verlegung von Calciumsulfatfließestrichen auch in Räumen mit Bodenabläufen zu ermöglichen. Es wird damit argumentiert, dass diese Regelung nur „nicht planmäßig genutzte Notabläufe“ erfasse. Schon der Begriff „Notablauf“ ist unkorrekt, da es sich hierbei um eine Schutzeinrichtung bei fehlenden Flächengullies auf Dächern handelt. Ich behaupte jedoch, dass im Fußbodenbereich „nicht planmäßig genutzte Abläufe“ gar nicht existieren, da jeder Bodenablauf in regelmäßigen Abständen gespült werden muss, allein um Geruchsbildung zu vermeiden. In den Normen, in verschiedenen Hinweis- und Merkblättern sowie in etlichen Veröffentlichungen (z. B. Bauschadensbericht Fraunhoferges.) wird auf die Gefahr von Schäden hingewiesen, wenn bei Räumen mit Bodenablauf ein feuchteempfindlicher Estrich eingebaut wird. Dies ist der Calciumsulfatindustrie offensichtlich ein Dorn im Auge. Der Arbeitskreis „Calciumsulfatestrich“ im BEB hat in einem Rundschreiben behauptet, es sei Stand der Technik, in Räumen mit Bodenabläufen (wenn man diese nur als „Notabläufe“ bezeichnet) feuchteempfindliche Estriche einzubauen, wenn diese dann oberflächlich abgedichtet werden. Dies steht im krassen Gegensatz z. B. zu den gegenläufigen Empfehlungen des AK „Abdichtung“, zu Veröffentlichungen der Fliesenleger oder zur Normung. Der Arbeitskreis „Calciumsulfatestrich“ bzw. der BEB weigern sich jedoch, diese unzutreffende Behauptung zu berichtigen.

Querdenker nicht erwünscht?

Ein weiteres Indiz in Richtung der von mir hinterfragten Interessensverlagerung ist darin zu sehen, dass hoch verdiente Zementestrichspezialisten, wie Bertram Abert und Peter Erbertz, mit unschönen Mitteln geradezu zum Austritt aus dem BEB getrieben wurden. Offensichtlich war es den Verantwortlichen lästig, unangenehme Fragen dieser beiden Fachkapazitäten zu beantworten. Sie gehörten jedoch gerade zu den Fachleuten, die am 23.09.2010 in Berlin verhindert haben, dass Fließestrich zum alleinigen Standard wird. Ein neutral eingestellter BEB-Vorstand müsste ihnen also mehr als dankbar sein - das Gegenteil ist schlicht der Fall. Bei der Versammlung der Bundesfachschule am 1.7.11 hat man von Seiten des BEB durch Vollmachtensammlung alle Kräfte mobilisiert, um den bisherigen Vorsitzenden, Bertram Abert, abzuwählen - was auch gelungen ist.


Muss es bald ‚BFB’ heißen?

Da der BEB sich zum Thema „Fließestrich“ so undurchsichtig verhält, würde es nicht verwundern, wenn eines Tages eine Umbenennung in „BFB“ (Bundesverband Fließestrich und Belag) anstünde. Zahlreiche Mitglieder des (Noch?-) BEB wüssten ebenfalls gerne, ob sie dort noch zu Hause sind.

Wie in Goethes Faust stellen die BEB-Mitglieder ihrem Vorstand hier die „Gretchenfrage“:

BEB-Vorstand, wie hast du’s mit dem Fließestrich?

Dr. A. Unger

Architekt / Dipl.-Ing. (FH)